raumBEZUG

Das Bürgerhaus im Schloß- und Auenpark Paderborn wurde 1876-78 als Reithalle mit Stallungen erbaut. In einem Teil der ehemaligen Stallanlage, der heute als Gewölbesaal bezeichnet wird, wird seit einigen Jahren in den Sommermonaten Kunst gezeigt.

Der Gewölbesaal ist ein langgestreckter Raum, mittig von einer der Längsseiten her erschlossen. Acht gußeiserne Säulen, die ein Kreuzgratgewölbe aus Backstein tragen, gliedern den Raum. Die fünf Joche des Mittelschiffs sind annähernd quadratisch, die Joche der Seitenschiffe rechteckig. Pfeilervorlagen gliedern die Längswände. In jedem Wandfeld befindet sich ein hoch liegendes Segmentbogenfenster. Vor den Längswänden sind Verkleidungen montiert, die alte Futtertröge und neue Heizkörper verstecken. Grauer Nadelfilz bedeckt den Boden. Lichtrohre laufen in Längsrichtung durch die Seitenschiffe und durchschneiden die Mitteljoche in Querrichtung.

Mich interessiert der Gewölbesaal als Raum. Der Raum ist Gegenstand dieser Arbeit. Ich stelle hier nicht Kunstwerke aus, sondern den Raum. Er soll durch den Einsatz raumbildender Elemente, durch Material und Farbe zur Geltung gebracht werden. Meine Installation nimmt das den Gewölbesaal bestimmende Motiv der Reihung auf. Joche, Säulen, Pfeilervorlagen, Wandfelder, Fenster reihen sich aneinander. Als der Raum noch Pferdestall war, reihten sich in den Seitenschiffen die Boxen. Dort, wo die Pferde standen, besetzen nun polygonale Körper bzw. Bodenplatten aus Birke-Mulitplex die Joche und bilden unterschiedliche Reihen in gleicher Formensprache.

Die Körper und Bodenplatten lassen sich in ein Rechteck einschreiben, das die Seitenverhältnisse des Gewölbesaals aufnimmt. Körper und Bodenplatten bilden Paare mit jeweils identischer Grundfläche. Jede Grundfläche hat zwei rechte Winkel und drei bzw. vier Winkel, die ungleich 90° sind. Die Seitenflächen der Körper stehen lotrecht auf den Grundflächen. Die Deckflächen der Körper sind mit den Grundflächen kongruent. Mit ihrer einseitigen Rechtwinkeligkeit fügen sich die Elemente in die orthogonale Raumstruktur ein. Sie sind so aufgestellt, daß die rechtwinkelig ausgerichteten Seiten unter den Querrohren des Lichtsystems liegen. So klinken sie sich – bildlich gesprochen – ein in das Raster der Lichtstruktur und schaffen eine Verbindung zwischen Lichtstruktur und Raum. Die vor den Längswänden angebrachten, mit farbigem Filz bespannten Verkastungen betonen die Länge des Raums und erinnen an die ursprünglich dort installierten Futtertröge. Die Farben Rot, Orange und Magenta verstärken die sinnliche Raumatmosphäre.

Ziel meiner Installation ist es, den Besucher für den Raum zu sensibilisieren. Ungewohnte Eindrücke, überraschende Bilder, neue Perspektiven eröffnen sich ihm, wenn er sich die Zeit nimmt, langsam durch den Raum zu gehen und sie zu entdecken. Er nimmt die einfachen Körper aus Holzwerkstoff und die Flächen aus Filz wahr und erlebt, daß sie in der Lage sind, Raum zu bilden, besondere Orte zu schaffen, Rhythmus und Sinnlichkeit zu erzeugen, kurz, raumBEZUG herzustellen.

© Rainer A. K. Brinkschröder
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